Ein biblischer Rundflug
„Wenn die Angst anklopft, schick Hoffnung an die Tür.“ Klingt gut, oder? Aber wie mache ich das konkret? Woher nehme ich Hoffnung, wenn mich Krisen unverhofft überfluten? Worauf hoffe ich? Hoffe ich überhaupt?
Um das zu klären, muss ich wissen, was mit dem großen Wort Hoffnung gemeint ist. Im Alltag taucht es immer wieder auf: „Na hoffentlich!“, „Das will ich doch stark hoffen!“ oder „Die Hoffnung stirbt zuletzt!“
Biblische Hoffnung ist mehr als unsicheres Wunschdenken bzw. optimistische Wahrscheinlichkeitsberechnung. Gott sagt uns eine Hoffnung zu, die mehr ist als „Ich hoffe auf schönes Wetter morgen“. Dies möchte dieser Artikel in drei Facetten beleuchten und damit unsere Hoffnung begründen und begrünen.
Hüpfen
Hoffnung als Substantiv kommt in den Evangelien nicht vor; nur indirekt im Gespräch zweier Frauen. Beide sind guter Hoffnung. Es begegnen sich aber nicht nur zwei schwangere Frauen, sondern auch die beiden Ungeborenen (Lk 1,40f): Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe.
Was für eine verrückte und wunderbare Geschichte! Der kleine Johannes beginnt im Leibe seiner Mutter vor Freude zu hüpfen, als er die Stimme Marias vernimmt, der Frau, die Jesus unter ihrem Herzen trägt. Johannes begegnet schon vor seiner Geburt der Hoffnung der Welt. Die erste Predigt des Täufers ist das Hüpfen im Bauch seiner Mutter. Sein Hopsen verweist auf Christus.
Hüpfen und Hoffen gehören zusammen. Hüpfen ist der leibliche Ausdruck des hoffenden Menschen. Mit dem Hüpfen des Johannes wird eine neue Hoffnungsspur gelegt. Sie zieht sich durch das ganze Leben und Wirken Jesu: Wo Menschen mit ihm in Berührung kommen, leben sie auf: Blinde beginnen zu sehen, Lahme beginnen zu hüpfen, Gefangene werden befreit.
Das Wort hoffen hat sich wahrscheinlich aus dem mittelniederdeutschen hoppen entwickelt. Dahinter steckt die Erfahrung eines freudigen Wartens auf ein Ereignis oder einen Menschen. Im Fußballstadion hüpfen die Fans schon aufgeregt, bevor das Tor fällt, weil sie es kommen sehen. Sie springen auf, weil sie hoffen, dass es jetzt passiert. Kinder hoffen noch mit dem ganzen Körper. Wenn sie z.B. ein überraschendes Geschenk bekommen, zappeln sie hoffnungsfroh und springen durch die Wohnung.
Hüpfen kann uns hoffen lassen: Die kleine körperliche Bewegung – z. B. auf dem Trampolin oder beim Seilspringen – tut der Gesundheit gut und macht den Kopf frei. In kleinen Schritten geht es voran: Nach vorn – zukunftsgerichtet. Und nach oben – himmelwärts.
Hoffnung kann uns hüpfen lassen, aber sie darf uns nicht träge machen. Jemand meinte mal, Hoffnung sei das Schlimmste, was es überhaupt gebe. Sie mache den Menschen passiv und lasse ihn an Illusionen festhalten. Sie verhindere, dass wir die Ärmel hochkrempeln und notwendige Veränderungen angehen.Hoffnung als bloße Vertröstung ist ein Vorwurf an uns Christen. Ja, falsch verstandene Hoffnung treibt Menschen in Passivität, Verdrängung von Gegenwartsproblemen und religiöse Fluchtbewegungen.
Echte Hoffnung unterscheidet sich davon. Sie ist nicht blind und ignoriert Missstände nicht. Echte Hoffnung macht Lust auf Veränderung. Die Hoffnung, die in Christus mehr erkennt als nur ein Baby im Bauch. Die Hoffnung, die weiß oder wenigstens ahnt, was der Messias Großes tun wird. Der ungeborene Johannes spürt das schon.
Obelix und Benjamin Blümchen
Hoffnung ist die Gefährtin der Nacht und des Zweifels: Wo alles hell ist und alles gelingt, braucht es keine Hoffnung. Die braucht es nur, weil nicht alles gut ist. Die Frage nach der Zuversicht gibt es, weil der Mensch aus dem Frieden Gottes (Gen 3) gefallen ist.
Bei einer Befragung im Frühjahr 2022 hatten nur 8% die Hoffnung, dass es ihren Kindern einmal besser gehen wird als ihnen. Aber ohne die positive und lebensbejahende Hoffnung ist menschliches Leben nicht denkbar. Hoffnung aufgeben heißt, sich selbst aufgeben. Das Herausstreben aus der Enge und die sehnsuchtsvolle Erwartung eines Guten in der Zukunft stehen heutzutage also hoch im Kurs.
Röm 8,24: Wir sind gerettet auf Hoffnung hin. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man auf das hoffen, was man sieht? Hoffnung hat eine merkwürdige Unabhängigkeit. Sie legt sich nicht auf ein bestimmtes Objekt fest. Sie zielt nicht auf ein konkretes Ergebnis, sondern auf den konkreten Gott. Es kann anders werden als man meint. Es ist nicht planbar. Im Entscheidenden bin ich machtlos. Und doch füllt mich die Hoffnung ganz aus. Ich lebe auf das Gehoffte hin (Hebr 11,1).
Falsche Hoffnung bindet sich an bestimmte Erwartungen, verdichtet sich zu konkreten Wünschen und macht so unfrei. Der Hoffende lässt liebgewordene Vorstellungen los. Dieses befreite Vertrauen kommt erst im Fehlen aller Garantien in seiner ganzen Kraft zutage. Röm 4,18: Wo keine Hoffnung war, hat Abraham auf Hoffnung hin geglaubt.
Fehlende Garantie heißt nicht, dass die Hoffnung ohne Grundlage ist. Diese zieht sich durch die Schriften der Bibel wie ein roter Faden: Es geht immer um das rettende Heilshandeln Gottes in Jesus Christus! Das ist und bleibt der tragende Grund aller Hoffnung. Sie richtet sich auf sein Reich, seine Verheißungen, sein Kommen, seine Herrlichkeit usw. Hoffen heißt konkret, das zu erwarten, was Gott versprochen hat; die feste Zuversicht (Ps 71,5; 91,2), dass Gott nahe sein und eingreifen wird.
Biblische Hoffnung ist stets personal begründet und charakterisiert. Dieses Beziehungsgeschehen lebt vom Vertrauen, das ich auf den Herrn setze (Ps 40,5; 1 Petr 1,13). Ps 62,6: Gott ist meine Hoffnung. Der enge Zusammenhang zwischen Hoffnung und Gebet – das Gespräch mit Gott als Ausdrucksform der Beziehung – findet sich auch in den Psalmen: Mein Gott, ich hoffe auf dich (Ps 25,2; siehe auch Ps 31,15; 33,22; 37,3.5; 39,8; 56,5).
Hoffnung ist dabei Bewährung des Glaubens (Röm 5,4) im Angesicht der herandrängenden Zukunft. Sie ist nicht etwas Zweites neben dem Glauben, sondern Glaube in anderer Wendung, nämlich zur Zukunft hin. Die Liebe (1 Kor 13,13) ist die Wendung zum Nächsten hin. Das griechische Wort für Hoffnung im Neuen Testament (elpis) bezeichnet den Akt des Hoffens und schließt auch das Objekt, das Erhoffte, mit ein. Heutzutage ist jedoch die Gefahr groß, dass der Inhalt ausgedünnt und die Hoffnung als Lebenseinstellung stärker betont wird. Hoffnung verkommt zum abstrakten Prinzip und verliert jede Lebensnähe und Alltagsrelevanz.
Wie werde ich nun ein Hoffnungsmensch? Hoffnung ist ein Geschenk von Gottes Gnade und zugleich eigenes Entscheiden, Wagen und Vertrauen. Sie ist Haltung und Tat. Sie wächst durch Beten, Gemeinschaft, Lobpreis, Lesen der Bibel (Ps 119,114; Röm 15,4) und Zeugnis: Hoffnung ist ansteckend; 1 Petr 3,15: Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist. 2 Kor 3,12: Und weil wir nun solche Hoffnung haben, sind wir voller Freimut.
Die vielen biblischen Hinweise auf die Frage, was und wie zu hoffen sei, habe ich mal so zusammengefasst. „Ich hoffe“ heißt ich verschließe meine Augen nicht. Ich sehe, was nicht gut ist. Doch ich versinke nicht. Ich lasse mich nicht gehen. Ich schaue nach vorn.
Ich schaue nach oben. Es gibt Zukunft. Ich glaube. Ich liebe. Ich bleibe dran. Mit Lebensmut. Ich erwarte geduldig und vertraue harrend. Ich bin gewiss und zuversichtlich. Gott hat das letzte Wort. Es wird gut werden. Dem gehe ich mit Sehnsucht entgegen. Ihm gehe ich mit Zutrauen entgegen.
Was hat das nun mit Obelix und Benjamin Blümchen zu tun? Beide Helden der Kinder und Junggebliebenen verbindet nicht nur der Bauchumfang. Was mir immer wieder auffällt: Sie strahlen bei allen Herausforderungen ihrer Abenteuer eine hoffnungsfrohe Gelassenheit aus; gekoppelt an die Gewissheit, dass die Geschichte auf jeden Fall gut ausgehen wird. Für mich scheint dabei bildhaft eine lebendige Hoffnung (1 Petr 1,3) durch, die der christlichen Nachfolge entspricht.
Offen
Solche Hoffnung gibt es letztlich nur wegen Ostern. Das Grab ist offen, darum können wir hoffen. Gott hat Jesus Christus vom Tode auferweckt. Das eröffnet neue Türen zum Leben.
In der Bibel finden sich auf der einen Seite Hoffnungsdimensionen, die mit der diesseitigen Lebensbewältigung verbunden sind: Das Volk Israel bittet hoffend um Befreiung, Führung und die Ankunft im gelobten Land (Ex) sowie um Rückkehr aus dem Exil (Jer 29,11). Menschen hoffen auf Zeichen, Wunder und Worte Jesu.
Auf der anderen Seite wird auch von dem Horizont berichtet, der auf die jenseitige Welt bzw. das ewige Leben gerichtet wird: Die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten als Überwindung des Todes (1 Thess 4,13;
1 Kor 15,19: Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.) Auf die Vollendung der neuen Schöpfung kann gehofft und auf dessen Verwirklichung durch den Glauben an Jesus Christus vertraut werden (Röm 8,18-25).
Das ist keineswegs nur eine vertröstende Zukunftsansage, sondern relevant für alle aktuellen Lebensbezüge und gibt dem gegenwärtigen Glaubensleben seinen tieferen Sinn. Denn Jesus verändert die Hoffnung. Durch sein Wirken stellt er das, was vorher ohne ihn ins zukünftige Reich der Wünsche verschoben wurde, in die Gegenwart hinein. Damit wird das Hoffen nicht beendet, wohl aber verwandelt und neu belebt. Die Heilsgewissheit richtet die Heilsgegenwart auf die Heilszukunft. Hoffnung versetzt uns in den Mut des Zukünftigen und erwartet dieses Zukünftige doch ganz aus Gottes Hand. Hoffnung macht einen Anfang und ist die Vorfreude auf die Vollendung. Der Hoffende sieht die Welt nicht nur nach ihrer Wirklichkeit an, sondern auch nach ihren Möglichkeiten.
Hans Weder meint: „Die christliche Hoffnung ist, so sehr sie auf das Endgültige gerichtet ist, intensiv auf das Jetzt und die Welt bezogen. Sie ist eine Zukunftseinstellung, die nicht in die Zukunft flieht, sondern das Künftige ins Jetzt hereinholt und also den Menschen einlässt in das, was jetzt an der Zeit ist.“
Mit diesem Hoffen behalten wir eine gute Balance zwischen „Es ist mit Jesus schon alles getan und gut!“ und „Es ist noch nicht alles gut, aber wird es im Himmel werden!“ Diesen Spagat, die Spannung des eschatologischen Vorbehaltes von schon jetzt und noch nicht gilt es geduldig (Klgl 3,26) auszuhalten und fröhlich in der Hoffnung zu leben, beharrlich im Gebet und standhaft in aller Bedrängnis (vgl. Röm 12,12).
Friedrich Löchner bringt es auf den Punkt: „Offen auf den Himmel hoffen, hoffen, dass der Himmel offen.“ Der Buchstabe h macht offen zu hoffen. H-offen. Himmels-offen. Heils-offen. H-offensiv.
Die Doppeldeutigkeit unseres neuen Magazintitels verdeutlicht dies: Wenn die Hoffnung kleiner wird, neigen wir zum Zumachen und verschließen uns. Wir sind als Christen herausgefordert, offen zu bleiben, Dinge an uns heranzulassen. Hoffen beginnt damit, offen zu sein, und nach vorne gerichtet zu leben.
Die Assoziation von hope und open nehmen auch einige Gesangbuchlieder auf: „Ihnen steht der Himmel offen, welcher über alles Hoffen…“ (EG 123,9), „Wohlan, die Tür ist offen, die Hochzeit ist bereit. Erfüllt ist euer Hoffen: der Bräut’gam ist nicht weit.“ (EG 151,3), „Durch dich steht das Himmelstor allen, welche glauben, offen; du stellst uns dem Vater vor, wenn wir kindlich auf dich hoffen.“ (EG 331,7), „Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit. Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit.“ (EG 395,3).
„Wohnt hier ein Dr. Martin Luther?“, fragt der Teufel. „Nein!“, antwortet Luther, „der ist tot. Hier wohnt Jesus Christus!“ Er ist das Gesicht der Hoffnung (1 Tim 1,1; Tit, 2,13); auch an deiner Lebenstür (Kol 1,27): „Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit.“
Hoffen-Magazin 1 / 2024: Wir danken für das Alte und feiern das Neue!
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