Liebe Mitchristen,
„Das muss ich mir nicht zumuten…“ Doch, bitte, tun Sie es! Muten Sie sich die Inhalte dieses Heftes ruhig zu. Es will nicht nur über manche Zumutungen unseres Lebens berichten, sondern im besten Sinne selbst eine Zumutung sein. Womöglich stellt es hie und da Ihr gewohntes Denken auf den Kopf. Kürzlich äußerte jemand in meinem Bekanntenkreis: „Es gibt keine guten oder schlechten Tage. Es gibt nur Tage mit Jesus oder ohne Jesus.“ Dieser Satz enthält für mich die Aufforderung, Ereignisse und Befindlichkeiten in meinem Leben neu zu bewerten. Mit seinem Ruf in die Nachfolge fordert Jesus uns zu einem radikalen Akt des Umdenkens heraus. Seine Werteskala in mein Herz einpflanzen zu lassen, mutet er mir zu.
Jonas Großmann möchte mit seinem Beitrag aufrütteln, „den Schatz des Evangeliums aus der gezähmten Belanglosigkeit befreien, ihn neu beleben und erlebbar machen“. Weil wir glauben, dass das, was Gott uns zumutet, für uns das Beste ist, wollen wir nichts davon wegnehmen.
Im anschließenden Interview beschreibt Alexander Darbinjan, wie er auf dem „EXODUS-Parcours“ zusammen mit anderen Männern einen Weg beschritten hat, um in der Abhängigkeit von Gott seine innere Freiheit wiederzufinden. Sie werden beim Lesen auf den Satz stoßen: „Ich habe mir selbst abgesagt und zu Gott Ja gesagt“. Wer mag diese Aussage im Zeitalter der Selbstbestimmtheit noch angemessen und attraktiv finden?
Pater Arkadiusz Paśnik bringt mit seinem Bekenntnis „Wunder machen mir Angst!“ unser Weltbild gehörig ins Wanken. Ist es denn nicht berechtigt, sich Gesundheit und Sicherheit im Leben zu wünschen und dafür alle Angebote in Anspruch zu nehmen? Doch für den Autor zählt allein die Liebe zu Jesus und die Erfahrung seiner Nähe. Darin findet er tiefste Sinnerfüllung.
Mit meinem eigenen Artikel mute ich dem Leser Beobachtungen zu, die letztlich nur mit einer tieferen Verwurzelung in Christus beantwortet werden können. Es gibt kein Paradies auf Erden. Alle bisherigen Versuche, eines zu schaffen, haben nur neue Formen der Hölle hervorgebracht. Darum gehen wir voller Vertrauen auf alle zugemuteten Herausforderungen ein, die mit der Erfüllung der Gebote Gottes einhergehen. Wahre Gottes- und Nächstenliebe ist immer verbunden mit dem Einsatz des eigenen Lebens. Fürchten wir nichts, denn Gott verlangt nichts, wozu er uns nicht auch die Kraft gibt.
In einem sehr lebendigen Gespräch begegnet uns Sr. Mechthild, die sich für das Kloster und ein zölibatäres Leben entschieden hat. Offenbar fehlt es ihr an nichts. Was von der Welt als Zumutung betrachtet werden könnte, ist für sie Erfüllung in Höchstform – Fruchtbarkeit auf geistliche Weise.
Drei Frauen geben Anteil an ihren persönlichen Erfahrungen. Auch hier wird deutlich: Was eine Zumutung ist, ist letztlich eine Frage der Betrachtung. „Es geht darum, etwas anders sehen zu können.“ Im Wort ‚Zu-Mut-ung‘ steckt auch der Mut, sich etwas zuzutrauen bzw. zutrauen zu lassen. Fazit: Wer sich etwas zutraut, statt auszuweichen, wird an einer mutig angenommenen Herausforderung wachsen und seine Gaben entfalten.
Unmissverständlich macht Inka Hammond deutlich, dass Christusnachfolge mit einer Charakterschule einhergeht, zu der auch Wüstenzeiten gehören. Das Ziel ist die kompromisslose Abhängigkeit von Jesus, die dem Hang zur Bequemlichkeit gänzlich widerspricht.
Einen persönlichen Einblick in verschiedene Berufungen, Ehe und Ehelosigkeit, geben uns Judith Heymann und Ursula Räder. Dass beide Stände kein Zuckerschlecken sind, zeigt die Wirklichkeit. Die Zumutungen des einen Standes sind oft die Träume des anderen. Dabei geben beide Stände vielfach Gelegenheit, um persönlich in der Liebe zu wachsen.
Als letzte Lektüre kommt ein echter Mutmacher für Eltern von Ursula Hein. Ihnen wird geraten, sich entschieden auf ihre Kinder einzulassen und dabei keine Konflikte zu scheuen. Eltern können wesentlich dazu beitragen, dass ihre Kinder widerstandsfähig werden und Standfestigkeit gewinnen, um spätere Krisen im Erwachsenenalter bestehen zu können.
Wir wissen nicht, was uns noch alles zugemutet wird im Leben. Werden wir darauf vorbereitet sein? Können wir uns überhaupt darauf vorbereiten? Der kroatische Theologe Prof. Tomislav Ivančić legt in einer Kreuzwegbetrachtung Jesus die folgenden Worte in den Mund, die für mich zu einem Schlüssel für den Umgang mit Zumutungen im alltäglichen Leben geworden sind: „Jeder Augenblick deines Lebens ist ein Kreuz. Du kannst es annehmen oder abwerfen. Du kannst davor flüchten oder ihm begegnen. Ich habe es auf mich genommen. Somit weißt du, wo ich zu finden bin. Deine Kraft liegt nicht im Laufen. In jedem Augenblick wirst du vor die Entscheidung gestellt, ob du mir nachfolgen willst. … Viele suchen außergewöhnliche Kreuze. Doch das Kreuz ist einfach da – im Annehmen des Alltags. Der Alltag ist dein Leben und dein Kreuz. Nimmst du es auf dich, erhältst du viele Gnaden und dein Glaube entfaltet sich rasch.“ Lassen Sie sich anstiften, Jesu Nähe besonders da wahrzunehmen, wo unsere Wege durchkreuzt werden.
Ich bete, dass wir Christen entschlossen damit aufhören, lebensfremden Idealen nachzuhängen und uns stattdessen darin üben, in allen Zumutungen in und durch die Nähe Jesu froh zu werden. In der Hoffnung, dass wir in dieser Hinsicht gemeinsame Sache machen, grüßt Sie in herzlicher Verbundenheit,
Ihr
Rudolf M. J. Böhm
Greifswald, den 28. September 2023