Habe acht auf dich! Paulus und Timotheus in einem fiktiven Gespräch

Ein heißer Wind weht sanft durch den Olivenhain und raschelt leise durch die silbrig-grünen Blätter. Die beiden Männer sitzen auf flachen Steinen im Schatten der alten Bäume und sind in ein vertrauens­volles Gespräch vertieft. Der jüngere Mitarbeiter fragt seinen geistlichen Vater und Mentor nach Wegen, wie er sich selbst inmitten von Stress und Überforderung leiten sowie fokussiert glauben kann.

 

Paulus: Geliebter Timotheus, du bist mir wie ein Sohn im Glauben. Wir haben so viel gemeinsam durchlebt und uns dabei so lange nicht gesehen. Wie steht es um dich?

Timotheus: Vater Paulus, schön, dass wir uns endlich wieder persönlich treffen. Hier ist der Mantel und die Pergamente, die du wolltest (2 Tim 4,9ff.). Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht richtig, wie es mir geht und was mich bewegt. Der Alltag rauscht so durch. Die Hektik des Lebens mit den vielen Terminen und Erwartungen! Mir ist alles zu viel. Ich komme gar nicht mehr hinterher.

P: Oh! Das tut mir leid.

T: Die Menge der Gemeindedienste; viele suchen Seelsorge und Gebet. Es gibt zu organisieren und abzusprechen. Und mich beschäftigen die Nachrichten aus der Umgebung. Da bleibt dann wenig Kraft für die eigene Familie. Die Kinder brauchen mich, aber abends bin ich oft kaputt. Ich bin ungeduldig und reagiere schnell gereizt. Dazu plagt mich meine Migräne. Eigentlich will ich so viel schaffen und habe noch so viele Projekte im Kopf.

P: Du merkst, dass du nicht alles tun und überall dabei sein kannst. Hast du Angst, etwas zu verpassen? Gott möge dir seinen Geist der Weisheit schenken, zwischen all dem Guten, was alles möglich wäre, und dem Richtigen zu unterscheiden (1 Kor 12,10). Nur faule Leute überarbeiten sich. Wenn ich nicht selbst festlege, was mir wichtig ist, dann machen es andere. Plane deine Zeit, denn du wirst nie Zeit haben. Darum ist ein befreiender Weg, mit dem vollgestopften Alltag umzugehen: Leite dich selbst!

T: Das klingt gut, aber mitten im Betrieb bemerke ich das ja gar nicht.

P: Ja, das ist der Teufelskreis. Es ist zu stressig, um gegen den Stress gute Entscheidungen zu treffen. Wie ein vollgepackter Esel auf der Reise, der irgendwann das Gepäck gar nicht mehr spürt; nur merkt, dass seine Kraft weniger wird und ihm der Nacken schmerzt. In solchen Momenten muss ich raus, in die Stille, auf den Berg; so wie unser Herr. Denn am fahrenden Schiff können Reparaturen schlecht durchgeführt werden.

T: Geht es denn immer um weniger? Einige Ratgeber unserer Zeit sprechen so von Glück und Genuss; andere gar vom Nichtstun als höchster Erfüllung.

P: Nein, Gott schuf uns für den Rhythmus von schöpferischem Tun und Schabbat. Eine bewusste Entscheidung hilft, eine andere Haltung einzunehmen. Dann kann ich aktiv Ja zu einer Fülle an Aufgaben sagen. Oder halt auch Nein.

T: Das kann ich nicht!

P: Versteck dich nicht leichtfertig hinter einem „ich kann nicht“. Da steckt oft ein „ich will nicht“ dahinter.

T: Du meinst, ich könnte mich als Opfer sehen?

P: Du, Gottesmensch, bist kein gelähmtes Ding, sondern aktives Ebenbild Gottes. Kämpfe den guten Kampf des Glaubens (1 Tim 6,12).

T: Leider kenne ich solche Momente zu gut. Wenn es mir mal wieder alles zu viel wird und echte Ruhe guttun würde, stürze ich mich in Ablenkung und Zerstreuung und werde träge.

P: Geliebter Sohn, ich sage darum in wahrhaftiger Liebe: Übernimm Verantwortung für dein Leben! Vernachlässige deine Gabe nicht, die Gott dir geschenkt hat. Bleibe darin. Achte auf dich selbst und auf die Lehre. Wenn du das tust, rettest du dich selbst und alle, die auf dich hören (1 Tim 4,14-16; siehe auch Apg 20,28). Versteh es bitte weniger als Mahnung, sondern als Fundament für ein Leben mit Jesus!

T: Das klingt aber ziemlich egoistisch – achtgeben auf mich selbst. Ist das wirklich Gottes Wille?

P: Das ist nicht selbstbezogen, sondern Schöpfungsaufgabe! Wir sind für ein verantwortlich gestaltetes Leben geschaffen, sodass Gott dabei geehrt wird (Gen 1-3). Aber dein Einwand ist berechtigt: Es geht nicht um ein Optimierungsprogramm, bei dem du die Kontrolle über alles behältst. Und auch nicht um das, was du aus eigener Kraft tust, sondern wozu Gott dich befähigen kann und will. Übe, dich selbst zu führen. Reife Christen entwickeln diese Fähigkeit. Ohne sie ist es unmöglich, gute Beziehungen aufzubauen, Konflikte konstruktiv zu lösen und mit Belastungen fertig zu werden.

T: Was bedeutet denn Selbstführung?

P: Dass ich mein Leben und Handeln gegenüber Gott, mir selbst und anderen verstehe und gestalte. Ich vermag mit allen Lebensumständen und Situationen – ob selbst gewählt oder auferlegt – besonnen umzugehen durch Christus, der mich mächtig macht (Phil 4,13).

T: Und wie sieht das konkret aus?

P: Drei Schritte dazu: Selbstverantwortung, Selbstklärung und Selbstfürsorge.

T: Das erste hatten wir ja eben schon. Wenn ich mich nicht gut fühle oder Dinge nicht so glatt laufen, dann ist es viel einfacher, meinen Blick nach außen zu richten, um die Ursachen dafür zu finden. Selbstverantwortung dagegen meint: Ich bejahe die Verantwortung für meine Emotionen und für mein Verhalten.

P: Genau! Wenn du es nicht tust, tut es niemand! Und damit nimmst du dich auch selbst ernst, deine Gefühle, Prägungen, Erfahrungen usw. Achte das als Gottes Geschichte mit dir. Habe dein Schicksal lieb, es ist sein Weg mit deinem Herzen.

T: Ich beginne zu verstehen. Was meinst du mit Selbstklärung?

P: Verschaffe dir in dreierlei Klarheit: 1. Wer bist du? Stärke dich in deiner Identität in Christus (Gal 2,20). Du bist sein geliebtes Kind. Der feste Grund Gottes besteht und hat dieses Siegel: Der Herr kennt die Seinen (2  Tim 2,19). 2. Was kannst du? Ich erinnere dich daran, dass du die Gabe Gottes in dir erweckst (2  Tim 1,6). Pflege die Begabungen, die Gott dir geschenkt hat. Wie kannst du dich in Gottes Reich einbringen? Und 3. Was ist dein Ziel?

T: Okay, Stopp erstmal. Darüber habe ich schon manchmal nachgedacht, aber es ist gut, das nochmal ausführlich im Gebet zu prüfen und schriftlich festzuhalten. Aber das mit dem Lebensziel ist doch sehr abstrakt, oder?

P: Lass mich das genauer ausführen. Ich halte es für bedeutsam: Wozu lebst du? Was willst du wirklich tun? Und was alles nicht? Worin investierst du? Für das, was dir wirklich wichtig ist, hast du ja immer Zeit. Kläre deine Werte und konzentriere dich auf deine Prioritäten. Welche Person möchtest du am Ende deines Lebens sein? Welche Eigenschaften soll man wahrnehmen, wenn man mit dir zu tun hat? Und für welche Aufgaben und Anliegen möchtest du dich eingesetzt haben? Z. B.: Setze dir zum Ziel, andere zu Christus zu führen (2  Tim 4,5). So ein Fokus entspannt. Wir tun sonst nebenher vieles, was nicht mit Jesus abgesprochen ist und uns die Zeit stiehlt. Nur wer zu vielen unwichtigen Dingen Nein sagt, kann zu den wichtigen Dingen nicht nur Ja sagen, sondern sie auch grundlegend leben. Achte dabei deine Begrenztheit; Kräfte, Gaben und auch deine Lebenszeit. Vom Ende her denken, macht lebensklug (Ps 90,12). Gott möge deinen Grenzen Frieden schenken (Ps 147,14).

T: Das möchte ich gerne in Ruhe vertiefen. Was war noch mal der dritte Schritt?

P: Selbstfürsorge heißt, dass ich dafür sorge, dass Gott beständig in mein Leben quillt und die Schale meines Glaubens, meiner Liebe und meiner Hoffnung ausreichend gefüllt bleibt. Meine versorgte und gesättigte Seele ist meine wichtigste Ressource, um ermutigt arbeiten und Menschen dienen zu können. Es ist eine Seele, die von der persönlichen Begegnung mit Jesus herkommt und deshalb mit Zufriedenheit, Vertrauen und Liebe erfüllt ist. Frage dich am Morgen: Von wem oder was erwarte ich heute, dass sie meine Seele füllen, mir Liebe schenken und mich ermutigen?

T: Das probiere ich mal aus. Kannst du mir noch was Praktisches für den Alltag mitgeben?

P: Sicher! Bleibe bei dem, was du gelernt hast. Du kennst von Kind auf die Hl. Schrift, die dich weise machen kann (2 Tim 3,14). Trainiere deinen Glauben (1 Tim 4,7)! Finde eine tägliche Form, Bibel zu lesen und zu beten (1 Tim 2,1ff.)! Ein echtes ungefärbtes geistliches Leben; so wie deine Mutter Eunike und Oma Lois (2 Tim 1,5). Entzieh dich nicht der Gemeinschaft mit anderen Christen. Auch wenn es oft schwerfällt, aber darin ist Kraft. Nimm z. B. Markus zu dir (2 Tim 4,11)! Investiere in gute Freundschaften und kleine geistliche Gruppen! Halte Schabbat, nimm dir Auszeiten und schlafe ausreichend! Dein Körper ist ein Tempel des Hl. Geistes. Entscheide dich für gute Gewohnheiten! Entscheide, was du weglässt! Beschränke dich auf das Wesentliche! Wir haben oft Angst vor Entscheidungen, aber sie sind unser Freund. Entscheide dich für Stille; für Zeiten, wo nichts ist. Keine Ablenkung. Aus der Ruhe erwächst fokussierte und konzentrierte Nachfolge Jesu. Bedenke, was ich sage. Der Herr wird dir in allen Dingen Verstand geben. Halte dir Jesus vor Augen (2  Tim 2,7f.).

T: Ich danke dir sehr. Das klingt alles wahr­haftig und treffend. Zugleich überfordert mich das.

P: Ja, das ist viel. Aber wer weiß, wann wir uns wiedersehen. Darum prüf alles und behalte das Gute. Vergiss niemals die Gnade. Es geht nicht um deine Stärke, sondern: Bewahre, was dir anvertraut ist (1 Tim 6,20) und sei stark durch die Gnade in Christus (2 Tim 2,1), denn er hat dir den Geist der Kraft, der Liebe und der Selbstdisziplin gegeben (2  Tim 1,7).

Buchempfehlung dazu: Thomas Härry, „Von der Kunst, sich selbst zu führen“, SCM Brockhaus, Holzgerlingen 2015

Hoffen-Magazin 2 / 2024: Alles zu viel
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